Vom Bachelor in Innenarchitektur zur eigenen Graphic Novel
Johanna Springer arbeitet heute als Illustratorin, zeichnet für Kinderbücher, gibt Zukunftsvisionen ein Gesicht und arbeitet an ihrem ersten eigenen Comic. Doch wie wurde aus einer Studentin der Innenarchitektur eine erfolgreiche Illustratorin?
Über Umwege zum eigenen Traumberuf
Geboren in Suhl, aufgewachsen in der Nähe von Schleusingen, dann ein Bachelor in Innenarchitektur – soweit so ungewöhnlich. Doch dann folgt nicht, wie zu erwarten, die Arbeit in einem Büro als Innenarchitektin, sondern eine erfolgreiche Karriere als Illustratorin. „Ich wollte von Anfang an Illustratorin werden, habe mich jedoch damals nicht getraut, das dann auch wirklich zu studieren. Daher entschied ich mich für Innenarchitektur und dachte, ich könnte dann ans Theater- und Bühnenbilder-Bauen.“
Obwohl für Johanna schon nach zwei Semestern klar war, dass dieser Weg wohl nichts für sie ist, war der Drang nicht aufzugeben einfach höher. Schon während des Studiums arbeitete sie gerne an ihren Traumprojekten, feilte stundenlang an Illustrationen. Sie nutzte die Studienzeit dafür, ihr Talent zu verfeinern, und verbrachte ihr Praxissemester in einem Grafikbüro in Hamburg, das halb Galerie, halb Verlag war. „Man hat in einer Traumblase gelebt. Dann hat man seinen Abschluss und das Gefühl, kaum etwas vorzuweisen.“ Die Agenturen und Studios wollten jedoch Erfahrungen sehen, also investierte sie erst einmal Zeit in ein Portfolio voller eigener Arbeiten.
Zurück zur Perle des Nordens
Es ging zurück an die Elbe, zurück nach Hamburg. Als Quereinsteigerin wurde Johanna sehr positiv in der Welt der Verlage und Agenturen aufgenommen. Drei Jahre lang arbeitete sie in einer Grafikagentur und sammelte Erfahrung. Dann folgte der Sprung in die Selbstständigkeit: „Ich hatte online recherchiert und fand die Website des Stadtplaner-Büros `urbanista´ (Hamburg). Da dachte ich mir: Die brauchen doch unbedingt Bilder zu ihren Texten!“ Johanna bemühte sich ein Jahr lang um den Auftrag und überzeugte letzten Endes: „Und bei diesem Projekt konnte ich tatsächlich doch einmal Inhalte aus meinem Studium nutzen“, erzählt sie lachend. „Die Visualisierungen haben sie so überzeugt, dass sie auch jetzt noch einer meiner größten Kunden sind.“
Neben der Arbeit für die Stadtplaner illustrierte Johanna hauptsächlich für Verlage. Dadurch konnte sie sich einen großen Traum erfüllen: „Ich arbeite gerade an meinem ersten komplett eigenen Comic, das wollte ich schon immer machen. Ich war total aufgeregt, dachte ich brauche mehr Referenzen im Bereich Graphic Novel und müsste einen bestimmten kreativen Prozess vorweisen und das alles. Letztendlich lässt mir der Verlag in meiner Arbeitsweise aber völlig freie Hand.“ So konnte sich Johanna ihre Zeit frei einteilen und selbst entscheiden, welchen Auftrag es sich anzunehmen lohnt.
Die ganze Arbeit nur für die Miete?
2020 beschlossen Johanna und ihr Mann, der Hansemetropole den Rücken zu kehren: „Wir haben uns gedacht: Wir sitzen zuhause und arbeiten nur, um eine unfassbare Miete zu zahlen. Darauf hatten wir keinen Bock mehr.“ Die beiden Naturmenschen zog es zurück in ihre Heimat, das Coburger Land. „Der Hype der Großstadt nutzt sich eben auch ab. Am Anfang gehst du auf jede Galerieeröffnung, irgendwann haben wir das gar nicht mehr genutzt.“
Ihren neuen Arbeitsmittelpunkt hat Johanna jetzt in der „Digitalen Manufaktur“, dem Gründerzentrum von Zukunft.Coburg.Digital in Rödental, und fühlt sich sichtlich wohl: „Allein der Ortswechsel tut schon gut, nicht mehr immer nur im Homeoffice arbeiten, Eindrücke und Inspirationen sammeln, sich mit anderen über Probleme austauschen.“
Aus der Ruhe kommt die Kreativität
„Ich habe im letzten Jahr super viel gearbeitet, auch am Wochenende und an Weihnachten – und dann war ich Anfang 2021 aber auch durch.“ Mittlerweile geht Johanna alles entspannter an, macht am Wochenende frei und nimmt sich auch einmal Zeit zum Luftholen. „Ich habe festgestellt, wenn du wie letztes Jahr ein Jahr lang im eigenen Saft zuhause schmorst, dann hast du auch keine Kreativität mehr.“ Aus den Pausen schöpft sie neue Ideen und investiert die freie Zeit in eigene Artworks, die sie auf ihrer Homepage und Plattformen wie Instagram veröffentlicht.
Durch ihre Arbeiten werden neue Verlage auf sie aufmerksam, es kommen stetig neue Anfragen für gemeinsame Projekte herein. Den kleinen eigenen Kurz-Comic, den sie eigentlich auf Buchmessen bewerben wollte, wird schon vorab bei Social Media entdeckt. Allein durch diese Posts flattern Johanna drei Angebote von Verlagen ins Haus und so kann sie nun ihre erste eigene Graphic Novel umsetzen: Die Realisierung eines lang gehegten Traums.
Hier sind noch ein paar Ratschläge für euch aus erster Hand:
start.land.flow: Hast du einen Tipp für andere Gründer*innen im Bereich Illustration?
Johanna Springer: Was ich ganz neu gelernt habe, ist das Thema Nutzungsrechte. Mit dem was dir für die reine Illustration bezahlt wird, erzielst du keinen Gewinn. Nur durch die Nutzungsrechte gleicht sich das auf die Dauer gesehen aus. Bei einer reinen Abrechnung nach Stunden berechnest du immer nur die Zeit der Umsetzung. Dabei vergisst man häufig die Jahre der Arbeit, die du investiert hast, um überhaupt an diesen Punkt zu kommen.
start.land.flow: Was würdest du zu denen sagen, die denken, sie könnten sich ihren Traum mit der Selbstständigkeit nicht erfüllen?
Johanna: Es liegt eigentlich immer an einem selbst: Wenn man mutig ist und sich traut seinen Weg zu gehen, dann kommt man da auch an.
start.land.flow: Also ist eine Selbstständigkeit etwas für jede*n?
Johanna: Ganz so würde ich das nicht sagen, weil 50% der Arbeit sind sich überhaupt eine Marke aufzubauen, Aufträge ranzubekommen, Steuer und Buchhaltung zu machen – das unterschätzen viele. Du arbeitest ja nicht nur vor dich hin und zeichnest den ganzen Tag. Auch das Thema Marketing selbst zu betreuen muss man wollen. Ich persönlich mag es nicht, wenn mir jemand sagt, was ich machen soll, und ich organisiere mich auch gerne selbst. Letztendlich muss man in sich hineinhorchen und ehrlich zu sich sein.
start.land.flow: Eine Frage zum Thema Geld: Wie können Neueinsteiger*innen ihre Preise festlegen?
Johanna: Gerade unter Illustrator*innen ist es so, dass die Neuen ihre Sachen total günstig anbieten. Doch auch damit bestimmen sie den Marktpreis mit. Als Starter sollte man ruhig mutig sein und gute Preise ansetzen. Ich bekomme immer mal Mails von Studenten, die mich um Hilfe bitten und fragen, was ich so verlange und wie sie ihre Sachen abrechnen sollen. Da transparent zu sein, finde ich vollkommen in Ordnung.
start.land.flow: Planst du zu wachsen? Ist vielleicht sogar irgendwann ein eigenes Büro mit Angestellten geplant?
Johanna: Angenommen bei mir läuft es im Comic Business total gut, dann würde ich mir Leute suchen, die mir beim Kolorieren helfen, weil das unglaublich zeitaufwendig ist. Ich habe schon einige Anfragen für Praktika bekommen! Da hätte ich wirklich Lust drauf, aber ich frage mich, ob ich genug Zeit und Aufgaben für sie hätte, damit sie auch etwas mitnehmen und lernen. Sonst bräuchte ich selbst wahrscheinlich eher jemanden, der mich bei der Büroarbeit unterstützt. Für die ganze Kommunikation bis es dann an die eigentliche Arbeit für das Projekt geht.
start.land.flow: Vielen Dank für das Interview!