Der illustrierende Innenarchitekt
Ramón Springer hat in Coburg Innenarchitektur studiert und dort auch seinen Bachelor gemacht – ganz klar wo der Weg danach hingegangen ist, oder? Genau: Ramón arbeitet als Concept Artist und Illustrator, hat sich schließlich selbstständig gemacht und arbeitet nun von der Digitalen Manufaktur in Rödental aus, einem Coworking Space des Gründungszentrums Zukunft.Coburg.Digital. Aber Moment, was ist denn das bitte für ein Werdegang für einen Innenarchitekten?
Kurzer Blick an den Anfang: Ramón stammt aus Südthüringen, einen Steinwurf von Coburg entfernt und zeichnet für sein Leben gern. Schon während seiner Schulzeit organisiert er mit seinem Freund zusammen eine erste Ausstellung. „Das war richtig übel, das könnte ich heute keinem mehr zeigen!“ lacht Ramón. „Ein Freund von mir hat richtige Studien von Menschen gezeichnet – ich dagegen eher Strichmännchen.“ Doch den anfänglichen Rückschlägen zum Trotz, behält sich Ramón sein Interesse für Concept Art bei.
Concept … was?
Aber was ist denn eigentlich Concept Art? „Concept Art kennt interessanterweise kaum einer, obwohl es die Branche genauso lange gibt, wie es Filme gibt, also gut 100 Jahre. Man zeichnet hier nicht das fertige Endprodukt, sondern man konzipiert und zeichnet Räume oder Figuren in der Entwurfsphase von großen Projekten. Da gehören z.B. auch die Storyboards dazu, anhand derer die Szenen des Films geplant werden, die dann letztendlich verfilmt werden. Wer sich solche ersten Konzept-Skizzen einmal ansehen will, dem kann ich die Art Books von Pixar empfehlen – die sind großartig“, erzählt Ramón.
Alles – nur nicht Standard
Und dann das Studium der Innenarchitektur, auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Wahl. „Der Studiengang in Coburg ist sehr breit aufgestellt, da ist von technischen Themen wie Bautechnik bis hin zu Lichtplanung alles dabei. Ich habe die Projekte genutzt, um meinen eigenen Stil zu entwickeln und Visualisierungen auf meine Art umzusetzen. Ich wollte mich so stark von den üblichen Visualisierungen abgrenzen wie nur möglich, alles – nur keine Standard-Arbeiten.“
Ramón nutzt sein Praxissemester im Jahr 2009 ganz anders als seine Kommiliton*innen, er macht sein Praktikum bei einer Animationsfirma in Hamburg: „Ich war der einzige 2D Artist, das fand ich total krass! Die anderen haben alles direkt 3D umgesetzt, vorher gab es nur selten Skizzen.“
Nach dem Bachelorabschluss geht Ramón 2011 zurück an die Elbe und arbeitet fünf Jahre in der Firma, in der er auch sein Praxissemester absolviert hat. Als er sich dann 2016 selbstständig macht, kann er tatsächlich auf sein Studium zurückgreifen: „Wenn ich Set Design Projekte für z.B. VW oder Audi mache, kommt mir das Studium wirklich zugute. Auch wenn ich anfangs nie wahrhaben wollte, dass sich dieses Studium für meinen Weg je auszahlt“, sagt er lachend.
Das Leben in der Selbstständigkeit
Dass die Idee mit der Selbstständigkeit eine Gute war, zeigt ein Blick auf Ramóns Projekte: Er arbeitet für die Automobilbranche, macht Set Design sowie Concept Art für Spielfilme und interaktive Installationen. „Ich hänge an den Titel "Concept Artist" immer noch "Illustrator" an, da verstehen die meisten was ich mache. Leider herrscht oft aber komplette Verwirrung, wenn ich erzähle, was ich mache.“
Unterhaltsam ist das Interview mit ihm auf jeden Fall, doch richtig spannend ist ein Einblick in seine Arbeiten: Ob Architekturvisualisierung, Concept Design für die Spielebranche, Set Erweiterungen für Filme oder Key Visual Illustration für das Museum für Kommunikation in Nürnberg.
Bis 2020 lebt er mit seiner Freundin in Hamburg, dann geht es zurück in die Heimat, ins Coburger Land. Dort hat Ramón vom geplanten Coworking Space des Gründungszentrums Zukunft.Coburg.Digital erfahren. „Das war perfekt! Wir hatten Bedenken, wenn wir aus der Medienstadt in die Provinz ziehen und dann ist da nichts. Nichts mehr los, wir finden keinen Anschluss – und dann haben wir die Digitale Manufaktur gefunden. Ein unerwarteter Lichtblick!“.
Das mit dem Austausch funktionierte trotz Corona für Ramón schon gut, mit zwei ansässigen Unternehmen konnten bereits erste Projekte realisiert werden. Ramón bietet für Studierende aktuell (online) einen Einblick in die Concept Art und zeigt dem ein oder der anderen sicher auch ganz neue Perspektiven für den eigenen beruflichen Werdegang: „Das ist eine große Industrie, da gibt’s es viele Arbeitsbereiche. Man denkt, wie soll man da denn als Illustrator Geld verdienen? Dabei können sie dann Spiele, Theaterbühnen, Filme, Werbung vorvisualisieren bevor sie zum eigentlichen Produkt werden. Da gibt’s auch in Deutschland viele Berufe, die du mit jedem ähnlich gelagerten Studium, in dem man visualisiert und darstellt, ergreifen kannst.“
Zum Abschluss haben wir Ramón noch ein paar Fragen gestellt:
start.land.flow: Hast du einen Tipp für andere Gründer*innen? Zum Beispiel wie man immer wieder an neue Aufträge kommt?
Ramón Springer: Einerseits muss man als Kreativer viele Arbeiten auf Plattformen posten, dadurch gewinnt man natürlich an Reichweite und Bekanntheit. Ich setze aber hauptsächlich auf mein Netzwerk, da bekomme ich 99 Prozent meiner Aufträge her. Macht erst einmal ein paar Arbeiten für Unternehmen, auch in der Gruppe mit anderen und zeigt dann: Den Teil hab ich gemacht und zwar ganz alleine. Damit kannst du dann rausgehen und das deinen zukünftigen Kunden zeigen. Die denken sich dann: Wow, das kann der? Und dann wirst du weiterempfohlen. Ich bekomme oft weitere Anfragen nach einem Projekt von neuen Studios, weil ich von jemandem empfohlen wurde.
start.land.flow: Würdest du sagen, jeder kann sich selbstständig machen? Fragen dich die Student*innen deines Kurses danach?
Ramón: Ich habe zu den Student*innen gesagt: Du musst dir schon sicher sein, ob du das willst bzw. finde heraus, was du wirklich machen willst. Ist das Zeichnen wirklich etwas für dich? Für eine Selbstständigkeit musst du schon der Typ dafür sein. Manche brauchen einfach eher jemanden, der ihnen Projekte gibt, die sie dann abarbeiten können. Und das ist auch vollkommen okay. Da ist jeder unterschiedlich.
start.land.flow: Und woher weiß man welchen Wert die eigene Arbeit auf dem Markt hat?
Ramón: Was da hilft, ist der Austausch mit anderen, die das schon ein paar Jahre machen. Auch die Suche nach einem Mentor kann wirklich helfen! Da kann man sich Tipps zum Thema Preisegestaltung, Steuer, Kundengewinnung etc. abholen. Das ist oft Gold wert, weil man in unserer Branche darüber eher weniger spricht. Am besten ist aber wahrscheinlich der Austausch mit Kollegen, die sich auf dem gleichen Level befinden. Da schreibe ich auch jetzt oft DMs mit befreundeten Artists, egal ob sie in Deutschland arbeiten oder Brasilien oder Japan. Die Offenheit und Transparenz unter Kollegen ist da sehr hilfreich.
start.land.flow: Würdest du in Zukunft gerne Mitarbeiter anstellen oder sogar ein eigenes Illustrationsbüro haben?
Ramón: Mich zu erweitern ist eigentlich schwer, denn meine Sachen sind ja handgemacht. Ich kann mir nicht vorstellen einen Assistenten zu haben, der dann den eigenen Stil kopieren kann. Den müsste man sich schon komplett von Anfang an heranziehen. Als allgemeines Illustrationsbüro wär es für mich eher denkbar, einen eigenständigen Artist mit eigenem Stil dazu zu holen. Ich bräuchte tatsächlich eher jemanden für das operative Geschäft, der mir diese Arbeit abnimmt. Viele Artists haben auch Agenten, die sich genau um so etwas kümmern. Die schreiben Angebote, Rechnungen, etc. und schlagen ihren Satz dann obendrauf. Aber erstmal habe ich nicht vor zu expandieren. Ich bin ganz zufrieden mit meiner aktuellen Situation.
start.land.flow: Vielen Dank für das Gespräch!