Spielerische Innovation: Mit Games-Technik zu Augmented Reality
Während des Studiums gründen: Das klingt erstmal nach einer großen Herausforderung. Neben des zeitaufwendigen Firmenaufbaus müssen sich Entwickler*innen, wie im Falle von unserem Gesprächspartner Paul Redetzky, zusätzlich darum kümmern, durch ihr Studium zu kommen. Paul widerspricht: „Ich habe die Uni fast als ideale Umgebung zum Gründen wahrgenommen.“ Paul ist einer der Gründer*innen von Emergo Entertainment. Zusammen mit Carl-Philipp Hellmuth leitet er das Start-Up, das interaktive Visualisierungen und Computerspiele gestaltet und auch im Bereich Augmented Reality durchstarten möchte.
Paul und Carl-Philipp haben sich im Master Computerspielwissenschaften an der Universität Bayreuth kennengelernt und bald beschlossen, eine Zusammenarbeit auszuprobieren. Zum ersten Mal haben sie diese mit einem Projekt auf der Game Development Messe „Quo Vadis“ ausgetestet – mit zufriedenstellendem Ergebnis. Ihre schon zuvor aufgekommene Gründungsidee vertieften sie danach.
Die Gründung während des Studiums war wegen eines guten Netzwerkes möglich, dass sich die Gründer an der Uni Bayreuth aufbauen konnten
Games Innovation Lab, genauso wie das Institut für Entrepreneurship und das BF/M Bayreuth an der Uni Bayreuth nennt Paul hierfür als wichtige Unterstützer. Auch, dass den Beiden von den Dozierenden Freiraum in Bezug auf die Regelstudienzeit gelassen wurde, war hilfreich. Nachteile vom Gründen neben des Studiums sieht Paul eher weniger. Er meint: „Ein Gründungsprozess ist allgemein eine holprige Phase.“ Eine Sache fügt er aber doch noch hinzu: Ein strukturiertes Business-Management sei während des Studiums nicht möglich und stelle einen nach dem Abschluss vor Herausforderungen. So gebe es Emergo Entertainment offiziell schon seit 2019, allerdings sind die Gründer erst seit April 2021 in Vollzeit dabei. Potenzielle Kunden, die sehen, dass zwischen der Gründung und 2021 nicht viel passiert sei, könnten sich fragen: „Was haben die in der Zeit gemacht?“ Ein weiteres Erschwernis stelle die Pandemie dar: In der Aufbauphase einer Firma müsse man viel Klinken putzen, das sei während Corona aber nicht möglich gewesen.
Dass Emergo Entertainment im 3. Mastersemester gegründet werden konnte, liegt an dem guten Netzwerk, das sich Carl-Philipp und Paul durch die Uni aufbauen konnten. DasIn Computerspielen werden Informationen und Emotionen über Interaktionen vermittelt
Aber was haben Paul und Carl-Philipp mit Emergo Entertainment überhaupt gegründet? Dazu muss man sich die Frage: „Wie kann Games-Technologie außerhalb von Spielen eingesetzt werden?“ stellen, die für die Computerwissenschaftler schon in ihrem Studium von Bedeutung war. Die Antwort ist eine Art Leitsatz, den Paul während des Interviews immer wieder betont: In Computerspielen werden Informationen und Emotionen über Interaktionen vermittelt. Was er damit meint, erläutert er folgendermaßen: Eins seiner Lieblingscomputerspiele ist „Brothers – a Tale of Two Sons.“ In dem Spiel kann einer der Charaktere Objekte halten. Spieler*innen steuern die Funktion durch das Ausüben von Druck auf eine Taste. An einem bestimmten Punkt verliert der Spielcharakter und damit auch der oder die Spieler*in mit ihrer/ seiner Konsole diese Funktion. Das wirke sich dann auf das Spielempfinden aus und löse ein Verlust-Gefühl aus. Durch die Interaktion bekommt die narrative Ebene also eine neue Tiefe.
Paul ist der Ansicht, dass neue Medien zu Beginn ihrer Entwicklung immer einer Unterhaltungsfunktion gedient hätten. Wie eben Computerspiele. Er glaubt, dass Medien sich weiterentwickeln, sodass sie nach und nach in allen möglichen Bereichen eingesetzt werden. Als Beispiel nennt er das Medium Film. (Anmerk. der Red.: Es gibt verschiedene Funktionen von Medienkonsum: beispielsweise gibt es Filme mit fiktiven Inhalten, die oft eine Unterhaltungsfunktion erfüllen (sollen), aber beispielsweise auch Nachrichten, die eher eine Informationsfunktion befriedigen (sollen) etc.)
Visualisierungen und Augmented Reality sind mit Technologie aus dem Games-Bereich umgesetzt
Genau das möchte Emergo Entertainment auch mit der virtuellen Interaktion erreichen, wie sie als Besonderheit in Computerspielen vorkommt: Sie soll vom Unterhaltungsbereich in den Unternehmensbereich gebracht werden. Visualisierungen und Augmented Reality sind mit Technologie umgesetzt, die aus dem Games-Feld kommt: Dessen Interaktionstechniken, Design und Programmierung sind damit die Grundlage des Handwerks zur Schaffung neuer Anwendungen.
Die Visualisierung einer dreidimensionalen Oldham-Kupplung, die man durch Rotation aus allen Winkeln betrachten kann, findet man auf der Webseite von Emergo Entertainment. Für Kund*innen, die ein Produkt vor dem Kauf genau analysieren wollen, sicherlich ein Vorteil zu herkömmlichen Bildern.
Auch im Bereich Augmented Reality wollen Paul und Carl-Philipp durchstarten. Die Idee von Augmented Reality ist, in einer realen Welt, die man durch eine Kamera betrachtet, zusätzlich digital Designtes einzufügen, sodass es auf dem Bildschirm erscheint. Dadurch können ursprünglich auf Papier entstandene „was-wäre-wenn“- Entwürfe für die reale Umsetzung überprüft werden.
Paul sieht sich dabei selbst als Handwerker, der die Technik für verschiedene Visualisierungen und Augmented Reality liefere und das Know-How aus der Games-Industrie transferiert. Ein Handwerker, der darauf hofft, bald in vielen Häusern arbeiten zu dürfen.
Die zukunftssichere Gamesindustrie könnte eine gute Ergänzung für die Wirtschaft in Bayreuth sein
Wie steht es um die Games-Szene in Bayreuth? Paul sagt: „Die Ausbildung hier ist super“. Neue Angebote für ausgelernte Computerspielwissenschaftler*innen sollten aber ausgebaut werden. Mit dem Bayreuth Games Accelerator hat Paul ein Projekt initiiert, das zeitlich begrenztes Coworking mit Workshops verbindet. Dadurch möchte er die Attraktivität der Stadt bekannter machen. Absolvent*innen würden bis jetzt meist in Großstädte rekrutiert. Bayreuth sei stark vom Tourismus abhängig, was man in der Corona-Zeit gemerkt hätte. Die Games-Industrie sei zukunfts- und krisensicher. Eine gute Ergänzung also.
Und wie geht es in dem Bereich weiter? Langfristig liege die Zukunft in mehr Einbindung von virtuellen Realitäten, so Paul. Außerdem kann er sich vorstellen, dass es irgendwann Augmented Reality Kontaktlinsen geben wird. In näherer Zukunft könnten interaktive Minianwendungen zu einer Selbstverständlichkeit werden, zum Beispiel in Form von 3D-Avataren auf Webseiten. Für Emergo träumt Paul davon, in fünf Jahren ein zehnköpfiges Team zu haben.