13.10.2021Projekte

Mitmachen möglich machen: CREAPOLIS

Foto: Frank Wunderatsch

Seit 2018 vernetzt CREAPOLIS in Coburg Akteure aus Wissenschaft, Unternehmen und von nebenan. Ziel des Förderprojekts der Hochschule Coburg: Wissen teilen – und zwar über lokale Grenzen, Generationen und gesellschaftliche Unterschiede hinweg. In unserem Gespräch mit Projektleiter Markus Neufeld ging es um aktuelle Projekte, neue Räume für alte Bedürfnisse und seine Liebe zum Holz.

CONNECT – CREATE – INNOVATE. Für CREAPOLIS (frei aus dem Lateinischen und Griechischen übersetzt: etwas für die Stadt schaffen) sind das keine hippen Buzzwords, sondern ein Auftrag – denn genau dafür wurde das Projekt vor vier Jahren von der Hochschule Coburg ins Leben gerufen. Gefördert wird die Aktion vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz GWK im Rahmen des Programms „Innovative Hochschule“.

Raus aus dem Elfenbeinturm, rein in die Stadt

Markus Neufeld leitet seit der ersten Stunde das Projekt mit Blut, Schweiß und Lasercutter. Foto: CREAPOLISMarkus Neufeld leitet seit der ersten Stunde das Projekt mit Blut, Schweiß und Lasercutter. Foto: CREAPOLISEin Hochschulprojekt, das sich als Innovations- und Vernetzungsplattform einem Ziel verschrieben hat: Möglichst viele verschiedene Akteure aus Coburg und der Region zusammenbringen, nicht nur Leute aus der Hochschule selbst. Wie schafft man das? „Wir sind ziemlich frei in dem, was wir tun“, erklärt Markus Neufeld, der CREAPOLIS mit aufgebaut hat und als Projektleiter begleitet. Klar stolpert man dabei im Projektalltag auch manchmal über bürokratische Hürden: „Wir dürfen unsere Räume zum Beispiel nicht an Unternehmen vermieten oder Mitgliedsbeiträge fordern, weil dadurch Einnahmen entstehen würden, die dann von der Förderung abgezogen würden.“

Neben Neufeld besteht das Team CREAPOLIS derzeit aus zwei Technikern, vier Mitarbeiterinnen im Backoffice, zwei Kolleginnen, die sich der Vernetzung mit Unternehmen beziehungsweise der Gesellschaft verschrieben haben, sowie drei wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Außerdem arbeiten sechs wissenschaftliche Projektmanager*innen an den unterschiedlichen Fakultäten der Hochschule Coburg, entwickeln neue Ideen und unterstützen Professor*innen bei der Initiierung zukünftiger (Forschungs-)Projekte. Weil das Team CREAPOLIS ordentlich Platz braucht, ist es wenige Monate nach Projektbeginn ins Erdgeschoss der ehemaligen Direktoren-Villa am alten Coburger Schlachthof gezogen. Ein Stockwerk höher sitzt auch das Gründerzentrum Zukunft.Coburg.Digital , von denen man zwar formal getrennt, aber mit offenen Türen zusammenlebt, so Neufeld. Trotzdem gab es schon gemeinsame Aktionen: zum Beispiel #CoburgContraCorona, den Hackathon im Frühjahr 2020, bei dem 70 Challenges im Umgang mit dem Pandemiealltag eingereicht und dann von 100 Freiwilligen bearbeitet wurde. Oder der Zeitzeugenrundgang, der per Audioguide Besucher*innen anhand Erinnerungen echter ehemaliger Bewohner*innen auf eine Reise durch die Vergangenheit des historischen Schlachthof-Areals nimmt.

Bastelbude mit High-Tech Equipment

Ein knappes halbes Jahr nach der Geburtsstunde von CREAPOLIS füllte sich auch der Ort mit Leben, der bis heute nach innen und außen Der Lasercutter. Foto: CREAPOLIS, Liliana Frevel.Der Lasercutter. Foto: CREAPOLIS, Liliana Frevel.Herzstück des Projekts ist: der Makerspace. Genau wie die Büros ist er im Erdgeschoss der Schlachthof-Villa angesiedelt. Auf rund 100 Quadratmetern ist Platz für alle, die nähen, schleifen, 3D-drucken, bohren, schweißen oder lasercutten – all das kann jede*r im Makerspace nach einmaliger Registrierung und Einführung in die Geräte, die sich sehen lassen können.

Ein Konzept, das gut ankommt: Im ersten Jahr wuchs die Zahl der Maker auf 500 an. Dann kam Corona und die Werkstatt musste dichtmachen: „Von heute auf morgen ging gar nichts mehr“, sagt Neufeld. Aber wer sowieso schon kreativ ist, den macht die Not erst so richtig erfinderisch: In dieser lehrreichen Zeit, wie Neufeld den ersten Lockdown nennt, entstanden neue digitale Formate, Einführungskurse und Maker-Meetups fanden über Zoom statt, Tutorials wurden aufgezeichnet.

Gerade ist der Makerspace dank 3G-Regelung für Maker geöffnet. Obwohl langsam wieder Leben in die Werkstatt kommt, ist es noch kein Kommen und Gehen wie früher, sagt Neufeld: „Vor allem die Studierenden fehlen merklich“. Der Makerspace lebt von der Begegnung unterschiedlichster Menschen, rund die Hälfte von ihnen sind Studierende. Typische Maker gibt es dabei nicht. Von der aufstrebenden Jungunternehmerin, die einen Prototyp baut, bis zum Rentner, der früher mal Schlosser war: alle sind willkommen. Ihre Selbstorganisation regeln die Maker über Discord.

Coworking ist ein uraltes Phänomen

Aus Sicht von Neufeld funktioniert der Makerspace deshalb so gut, weil nicht jede*r alle Gerätschaften selbst zuhause hat – oder überhaupt will. Dabei ist das Konzept gar nicht neu: „Es ist ein uraltes Phänomen, sich Werkzeug zu teilen – früher nannte sich das einfach Nachbarschaftshilfe. Wir versehen das lediglich mit einem Ort. Und es kommt dazu, dass wir modernste digitale Fertigungsmethoden ermöglichen und damit Technologie demokratisieren und für jedermann verfügbar machen.“

Ganz besonders zeigt sich dieser Spirit im Repair Café, das seit 2019 mindestens monatlich im Makerspace stattfindet. Hier bekommen Plattenspieler, Nähmaschine, Toaster und andere Geräte eine zweite Chance, statt auf dem Müll zu landen. Auch Neufeld hat hier schon seine alte Nähmaschine repariert. Oft profitieren Jüngere vom Wissen der Älteren, viele der Stammgäste des Cafés sind Rentner*innen.

Dass Mitmachen nicht nur erlaubt, sondern gewünscht ist, gilt eigentlich auch für Unternehmen. „Gerade für Prototyping und als sogenannter Third Space hat unser Makerspace ein riesiges Potenzial“, ist Neufeld überzeugt. Noch wird das Angebot zur Raumnutzung aber eher wenig genutzt; CREAPOLIS darf aufgrund seines Förderstatus nicht vermieten, Unternehmen zögern häufig, die Initiative zu ergreifen. Ausnahmen gibt es trotzdem: So fand im Makerspace in der Vergangenheit schon ein Onboarding-Workshop eines Azubijahrgangs eines lokalen Industrieunternehmens statt.

„Kreative Räume müssen notorisch unfertig sein“: neuer Campus bis 2030

Was klingt wie eine Mischung aus Innovationslabor, Erwachsenenspielplatz und dem Kliemannsland, ist für Markus Neufeld auch die Erfüllung eines Kindheitstraums: Eigentlich wollte er Schreiner werden, nach dem Abitur verschlug es den heute promovierten Geografen schließlich in den Schlachthof nach Coburg, wo er die wenige freie Zeit gerne in der Holzwerkstatt verbringt. An CREAPOLIS liebt Neufeld vor allem das Gefühl, dass immer etwas zu tun bleibt. Das gilt insbesondere für den Makerspace, der langsam aus allen Nähten platzt.

Ein Zustand auf Zeit, denn CREAPOLIS zieht im Frühjahr 2022 von der ehemaligen Direktorenvilla in die gegenüberliegende alte Kühlhalle. Als programmatischer Impulsgeber begleitet das Team seit Beginn die Planung des Prinz-Albert-Campus, der auf dem Gelände des alten Schlachthofs und Güterbahnhofs entstehen soll. „Eigentlich wird der neue Campus genau das, was CREAPOLIS jetzt schon im Kleinen ist“, sagt Neufeld. Die Mitmach- und Begegnungsstätte zwischen Hochschule und Stadt wird sukzessive erweitert, mit Laboren und Veranstaltungsräumen entsteht Platz für Wissenschaft, Lehre, Forschung und Kultur. Die Kühlhalle wird dabei als neues Zuhause von CREAPOLIS das Eingangstor im Norden des Campus bilden.

Die aktuelle Förderung von CREAPOLIS über 6,5 Millionen Euro läuft noch bis 2022. Wie geht es dann weiter? Ein Neuantrag für die Förderung bis 2027 ist schon in Arbeit – möglicherweise aber mit etwas anderer Auftragsstellung und Zielsetzung als Teil des neuen Zukunftscampus. Dass der Makerspace ein Ort für alle bleiben wird, ist aber sicher. „Wir wollen auch in Zukunft keine reine Hochschulveranstaltung sein und sind offen für neue Partnerschaften“, sagt Neufeld.

Du möchtest gerne mal bei CREAPOLIS vorbeischauen oder Maker werden? Hier gibt es weitere Informationen zum Projekt der Hochschule Coburg.

  • Teilen:
Kommentieren
Kommentare