25.04.2022Digitalisierung

Goodbye langes Durchsuchen von Medikamentenbeipackzettel – Selbsttest der App dabeipackzettel und Interview mit Ideengeber Jochen Meyer

Bildquelle: dabeipackzettel

Zwei Tabletten des einen Medikaments, morgens und mittags, drei des anderen, morgens, mittags und abends — oder wie war das gleich? Mit dabeipackzettel hat die Dr. Robert Pfleger Stiftung eine App geschafften, mit der Informationen zu Medikamenten einfach und intuitiv zugänglich werden sollen. Um herauszufinden, was dabeipackzettel genau anbietet und wie intuitiv das Ganze ist, teste ich die App. Dazu lade ich sie mir zuerst aus dem Playstore herunter.

Ich nehme ein Medikament zur Hand und scanne die PZN (Pharmazentralnummer) ein, ganz so, wie es in der App vorgesehen ist. Es passiert – erstmal nichts. Ich suche den Namen des Medikaments über die dafür vorgesehene Funktion und tadaaa, ich finde es. Als ich ein weiteres Medikament teste, klappt es dann auch mit dem Einscannen. Ich kann mich jetzt durch den Beipackzettel klicken. Oben auf der Seite wird mir der Medikamentenname und die Option „Speichern“ und „Bewerten“ angezeigt.

Im Schnellzugriff werden mir in Icons verschiedene Infos aus dem Beipackzettel angezeigt

Darunter befindet sich ein Schnellzugriff. Mir werden hier Dosierung, Anwendungsgrund, Nebenwirkungen, Verkehrstüchtigkeit, Maschinennutzung und Schwangerschaft in kleinen Icons vorgeschlagen. Was genau, variiert von (Bildquelle: dabeipackzettel)(Bildquelle: dabeipackzettel)Medikament zu Medikament. Klicke ich auf eines der Symbole, erscheinen die Infos aus dem Beipackzettel dazu auf meinem Bildschirm. Prinzipiell finde ich diesen Aufbau übersichtlich und sicherlich unkomplizierter, als würde ich mich durch einen riesigen Beipackzettel lesen müssen. Ich finde es allerdings ein bisschen irreführend, dass diese Kriterien ganz oben im Schnellzugriff stehen – sicher sind das oft gesuchte Hinweise, auf die man durch einen kurzen Klick schnell kommt, allerdings muss einem als Anwender*in bewusst sein, dass auch anderswo wichtige Hinweise versteckt sind – bei meinem erstgesuchten Medikament zum Beispiel unter dem Punkt Kontraindikation, wo beschrieben wird, wann man das Medikament nicht nehmen darf oder auch unter dem Punkt Wechselwirkungen. Als ich den Gründer der App Jochen Meyer darauf anspreche, sagt er, es gebe die Möglichkeit die Erfahrung mit der App zu feedbacken, so kann sich dabeipackzettel weiterverbessern. Die kleinen Icons am Anfang seien hilfreich für Menschen, die nicht gut lesen könnten und praktisch für Personen, die schlecht Deutsch sprechen. Der Punkt leuchtet mir ein. Wenn User*innen an der App etwas stört, dann können sie sich also an das Team von dabeipackzettel wenden. Zusätzlich wird mir angezeigt, wie teuer ein Medikament ist und in welcher Packungsgröße es verfügbar ist.

Bewertungen kann man für ein Medikament mehr als einmal abgeben, dabeipackzettel hat aber eine Lösung für Manipulationsversuche

dabeipackzettel bietet außerdem die Option, das Medikament zu bewerten, um die Therapie zu verbessern. Ich kann zwischen einem und fünf Sternen geben in den (Bildquelle: dabeipackzettel)(Bildquelle: dabeipackzettel)Kategorien Zufriedenheit, Verträglichkeit und Handhabung. Außerdem wird gefragt, ob ich das Produkt weiterempfehlen würde, ob ich es vor Ort oder in einer Versandapotheke gekauft habe und als letztes, mit welchem Geschlecht ich mich identifiziere, wie alt ich bin, wie viel ich wiege und wie groß ich bin. So weit, so gut. Was mich an diesem Konzept allerdings stört, ist, dass ich so oft ich möchte eine Bewertung abgeben kann. Ich musste mich für die App nicht mit persönlichen Daten anmelden. Das verringert die Hemmschwelle, falsche Bewertungen abzugeben, falls jemand einem Medikament bewusst schaden/ es pushen möchte. Aber auch hierfür hat Jochen eine Lösung: Durch automatisierte filternde Mechanismen werde beobachtet, wie oft jemand eine Bewertung abgibt oder ob jemand die Medikamente eines Pharmaunternehmens besonders oft sehr positiv bewertet, sodass hier eingegriffen werden kann, wenn nötig.
Insgesamt finde ich dabeipackzettel ziemlich praktisch. Ein Link zu einem Formular, in dem man Nebenwirkungen eintragen kann, verringert die Hemmschwelle, solche zu melden, weil es ganz unkompliziert funktioniert. Super finde ich auch, dass es Informationen zu aktuellen Covid-Impfstoffen gibt. Hilfreich ist außerdem die Speicherfunktion, sodass man immer Zugriff auf den Beipackzettel eines Medikamentes hat. Wenn man es einstellt, auch offline. Notizen zum jeweiligen Medikament kann man auch eingeben, beispielsweise wenn man bei der Dosierung etwas Bestimmtes beachten muss. 

Auch Apotheker*innen tun sich mit Beipackzetteln schwer: Dazu lernt man nichts im Studium

Jochen Meyer, der die Idee für dabeipackzettel hatte, erzählt mir im Interview mehr zu der Gründung der GmbH. Er selbst arbeitet seit vielen Jahren als Marketingleiter bei der Dr. Pfleger Arzneieimittel GmbH. Die Idee für eine Anwendung, in der Informationen zu Medikamenten einfach zu finden sind, hatte Jochen schon 2012. Jochen kommt aus einer Apothekerfamilie und arbeitete selber in diesem Beruf. Im Studium lerne man nichts zu Beipackzetteln, wenn Patienten ihn etwas zu einem Medikament fragten, „hatte ich selber keine Ahnung und musste spicken“. 
Eine App mit den Informationen zu den Beipackzetteln gab es damals schon. Eine Lösung für ein weiteres Problem, das Jochen mit Medikamenten hatte, wurde darin aber nicht gelöst: Jochen störte sich daran, dass nach der Verschreibung von Medikamenten meist unklar bleibe, wie erfolgreich sie gewirkt hätten, da sich Patient*innen vor allem dann meldeten, wenn das nicht der Fall sei. Durch die Feedbackfunktion von dabeipackzettel könnte das behoben werden. Das Feedback, das die User*innen in der App abgeben, werde direkt an die Hersteller*innen weitergeleitet – und die seien gesetzlich dazu verpflichtet, sich dem anzunehmen. 
dabeipackzettel ist zwar eine neue Anwendung, die seit 2021 existiert und bisher über 100.000 Downloads sammeln konnte, ein Startup im klassischen Sinne ist die GmbH trotzdem nicht. 
dabeipackzettel wird offiziell von den Geschäftsführern der Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH Dr. Günter Auerbach und Ralf Will vertreten und ist eine Startup-Ausgründung der GmbH. Aktiv an dabeipackzettel arbeiten Anna Bopp, Johanna Zehner, Michelle Dipp, Dorothea Schmidt und eben Jochen Meyer, zusammen mit externen Entwickler*innen. Finanziell getragen wird dabeipackzettel von der Dr. Robert Pfleger-Stiftung. Die Stiftung unterstützt sozial karitative Projekte und stellt selber keine Medikamente her – diese Unabhängigkeit vom Arzneimittelkonzern Dr. Pfleger sei für die App besonders wichtig um die App unabhängig vom Produktportfolio von Dr. Pfleger entwickeln zu können. Jochen sagt: „das Schöne an der Arbeit – sowohl bei Dr. Pfleger Arneimittel als auch am dabeipackzettel – ist, dass wir für den Stiftungszweck arbeiten, nämlich der Gesellschaft Gutes zurückgeben zu können“.
Jochens Vision für dabeipackzettel ist, „dass die App genauso häufig auf Smartphones zu finden ist, wie Whatsapp“. Mit neuen geplanten Funktionen wie Übersetzungen in andere Sprachen steuert dabeipackzettel immer weiter auf ihr großes Ziel zu: Mündige Patient*innen zu schaffen. 

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