Mit Zwischenstopps zum eigenen Software Unternehmen
Was macht man eigentlich als Jugendlicher, wenn man in der Nähe von Cham im tiefsten bayerischen Wald aufwächst? Für Sebastian Schedlbauer ganz klar: Programmieren. Seit der Jugendzeit ist Programmieren Sebastians großes Hobby. Wenig verwunderlich, dass er schon in der Kollegstufe zusammen mit einem Freund eine kleine Werbeagentur gegründet und die ansässige Hotellerie mit Homepages bedient hat. Welche weiteren Stationen der umtriebige Gründer bis zu seinem eigenen Unternehmen absolviert hat und warum der gerade Weg nicht immer der Beste ist, erfahrt ihr in unserem Artikel über die Baltys Software GmbH.
Baltys beschäftigt sich unter anderem mit strukturierten Datenbanksystemen, E-Learning und serverless architecture. Doch wie wurde nun aus einem jugendlichen Programmierer der Gründer eines erfolgreichen Startups in Coburg? Erste Station: Informatikstudiengang in Passau. Nach dem Grundstudium ist für Sebastian aber erstmal Schluss: „Ich hab versucht mich da durchzubeißen, dann aber die Reißleine gezogen.“
D̵e̵r̵ Ein Weg zur Selbstständigkeit
Also erstmal ab nach Frankreich in die Stadt der Liebe: Paris is calling. Zwei Jahre arbeitet Sebastian dort im technischen Customersupport, um dann nach Frankfurt zu einem Videospielehersteller zu wechseln. Eine spaßige und spannende Station, aber irgendwie doch nicht das Gelbe vom Ei. In München wird er Programmierer eines Startups, das sich leider nicht lange am Markt behaupten kann. Und was jetzt? „Ich hatte schon während meines Angestelltenlebens festgestellt, dass ich eigentlich gerne selbstständig wäre. Also gar nicht so wegen den Freiheiten, die man da immer annimmt, sondern einfach weil ich der typische Macher bin, der gerne selbst neue Ideen entwickelt und Dinge gestaltet.“
Gesagt, getan: 10 Jahre lang arbeitete Sebastian in München als Freelancer in der IT, hat im Bereich E-Commerce Onlineshops, Vergleichsportale und vieles mehr programmiert. Als er 2016 auf der Suche nach einem neuen Projekt war, führte ihn der Zufall an eine private Hochschule: „Da hab ich gleich zu dem Recruiter gesagt: Naja, eine Festanstellung möchte ich eigentlich nicht. Hochschule eigentlich noch weniger – das ist mir einfach zu trocken. Dann hab ich mich aber breitschlagen lassen“, lacht Sebastian. „Wir waren ab dem Bewerbungsgespräch sofort auf einer Wellenlänge. Das war ein toller offener Austausch.“
Arbeitsbeginn an der Hochschule
Sebastian arbeitet fortan als Entwickler für Moodle (Anm. d. Redaktion: Moodle ist ein freies Kursmanagementsystem und eine Lernplattform. Die Software bietet die Möglichkeit zur Unterstützung kooperativer Lehr- und Lernmethoden), wird Teamleiter, dann Leiter der Software-Entwicklung.
Nach einem Abstecher in die Welt der Fahrradmobilität, kehrte er im Sommer 2018 an die Hochschule zurück und trieb die Entwicklung von Moodle voran. „Da sie keine Entwickler an der HS hatten, war Moodle im Prinzip noch auf dem gleichen Stand, wie zu dem Zeitpunkt, als ich gegangen bin. Ich habe dann ordentlich auf die Tube gedrückt und viele neue Features eingeführt.“
Die Arbeit wurde stetig mehr und so holte Sebastian einen Bekannten als Freelancer mit ins Boot. „Der Workload wurde dann so groß, da habe ich mich dann entschieden, mal eben die Baltys GmbH zu gründen – und eine GmbH wollte ich schon immer haben!“ sagt er lachend im Rückblick. „Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wo die Reise hingehen soll und welche Richtung wir einschlagen wollen. Wir machen noch alles, wir sind die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau.“
Unter anderem hat Baltys für den deutschen Taschenbuchverlag eine Website erstellt, die alle Bücher und Informationen automatisch aus dem Autorenverzeichnis ausliest und hochlädt. Nachdem sie im letzten Jahr noch zwei weitere Hochschulen als Kunden gewinnen konnten, wurde relativ schnell klar, dass E-Learning eines der Geschäftsfelder von Baltys sein wird. „Da hat uns Corona natürlich noch bestärkt, denn es hat die Digitalisierung der Schulen vorangetrieben. Denn das Muss (sich zu digitalisieren) war vorher einfach nicht gegeben.“
Zurück aus der Großstadt
Mittlerweile ist Sebastian mit seinem Unternehmen nach Coburg umgezogen. „Ich hab mich mit München nie so identifizieren können. Auch wenn ich immer in die Großstadt wollte, aber ich war irgendwie immer nur in meinem Stadtteil unterwegs. Da macht es am Ende eigentlich keinen Unterschied, ob ich in einer Kleinstadt oder Großstadt lebe. Und bei Bedarf bist du schnell in Bamberg oder München.“
Die Projektanfragen nehmen derweil stetig zu. „Am Anfang waren wir hauptsächlich auf das Thema Schule und Hochschule eingeschossen, aber tatsächlich sind 95 % der Anfragen aus privaten Branchen. Das sind Unternehmen, die Mitarbeiter schulen wollen, Trainer, Coaches, auch Kunden aus dem Bereich Healthcare, wie z.B. Pflegeschulen. Das sind alles Bereiche, die man gar nicht auf dem Schirm hatte.“
Aktuell arbeiten bei Baltys neben Sebastian noch drei weitere Teilzeitkräfte, ein Werkstudent und ein Entwickler. Den Werkstudenten hat Sebastian zufällig im Coworking Space von Zukunft.Coburg.Digital kennengelernt. Überhaupt ist der Coworking Space eine feste Größe im Berufsleben von Sebastian geblieben. „Ich hatte hier meinen Arbeitsplatz, als ich in unserer Wohnung noch keinen Platz für ein Arbeitszimmer hatte. Jetzt komme ich noch regelmäßig vorbei, hauptsächlich zum Socializen, zu den Events oder wenn BayStartUp für Beratungsgespräche da ist. Die Kontakte und das Netzwerk sind wirklich wertvoll.“
Wie geht es weiter?
Wo Sebastian denn in den nächsten Jahren hinmöchte, frage ich ihn. Wollt ihr expandieren? „Ich lass mich da überraschen! Vor über einem Jahr etwa haben wir noch gesagt: Wir können Cloud, wir können dies, wir können jenes. Aber jetzt werden wir uns rein auf E-Learning beschränken. Wir könnten noch größer werden, aber es gibt, meines Wissens nach, nur eine Handvoll Entwickler*innen, die sich mit Moodle auskennen. So jemanden zu finden, ist gar nicht so einfach.“ Und neue Kunden zu gewinnen, um auf Teufel komm raus zu wachsen, das ist so gar nicht Sebastians Ding. „Ich würde lieber ein Team von nur 10 Leuten haben und dann spezialisieren wir uns. Ich würde eher mal ein Projekt ablehnen, als mit Baltys zu groß zu werden.“
Was sind denn deine Learnings aus den letzten 10 Jahren? Hast du Tipps für Gründer*innen?
„2015 habe ich mit einem Bekannten eine GbR gegründet und zusammen Fitnesstracker auf eBay verkauft - da war das noch ein echtes Nischenthema für Hardcore-Bodybuilder. Am Ende hatten wir nebenbei einen ordentlichen Gewinn gemacht. Bei manchen Dingen muss also gar nicht das Finanzielle im Vordergrund stehen, sondern auch durch Spaß an der Sache kann man eine funktionierende Geschäftsideen entwickeln.“ Und: „Aufgaben delegieren ist wirklich wichtig! Man muss auch Arbeit abgeben, zum Beispiel Social Media: Klar kann ich das auch abends selbst machen. Es einen Profi machen zu lassen, bringt der Firma aber doch mehr. Und das ist sinnvoll investiertes Geld, genau wie ein Steuerberater, der ist auch jeden Cent wert.“