Scheitern gilt nicht: Gründen im zweiten Anlauf
2022 begannen Sandra Schmitt und Christian Schieber ihre Idee einer Kundenplattform für mittelständische Lieferanten in die Tat umzusetzen. Doch nur wenige Monate nach der Ausgründung mussten sie CentralSpot aufgeben. Was die beiden selbst als „tiefsten Moment des Scheiterns“ beschreiben, war im Nachhinein der Startschuss für ihre Unternehmerzukunft. Jetzt wollen sie mit Globemee den Fachkräftemangel durch eine globalisierte Arbeitswelt lösen. Warum ihr erstes Startup scheiterte, wie es zu der glücklichen Wendung kam und woran die Gründer jetzt genau arbeiten, hat uns die Co-Founderin Sandra erzählt.
start.land.flow: Christian und Du arbeitet gerade an Eurem zweiten Startup: Globemee. Aber springen wir erstmal ein paar Monate zurück. Wie habt ihr überhaupt als Gründerteam zusammengefunden?
Sandra Schmitt: Ich hatte meinen damaligen Konzernjob im Finanzwesen an den Nagel gehängt, um meiner Passion zu folgen und in einem Startup mit flachen Hierarchien zu arbeiten. Im Januar 2021 habe ich dann bei bytabo gestartet und Kundenworkshops mit Design Thinking moderiert. Chris war damals mein Chef. Von Beginn an haben wir hocheffizient zusammengearbeitet und dabei ein tiefes Vertrauensverhältnis geschaffen. Er wusste auch, dass es mein Traum war, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Und so fragte er mich, ob ich das bisher interne Projekt mit ihm ausgründen möchte. Zur damaligen Zeit war uns das Ausmaß der Gründung eines Tech-Produkts noch nicht bewusst und wir haben sehr naiv gestartet.
start.land.flow: Was genau war das Problem bei CentralSpot?
Schmitt: CentralSpot ist aus verschiedenen Kundenanfragen von bytabo entstanden. Mehrfach wurden Kundenportale im Mittelstand angefragt und so kam die Idee auf, ein Produkt daraus zu bauen. Schnell bemerkten wir jedoch, wieso mittelständische Unternehmen ihre Portale individuell anfertigen lassen: Die Anforderungen sind höchst individuell und schwer zu modularisieren. Auch nach Eingrenzung des Zielmarkts war es schwierig, eine “One-Fits-All”-Solution zu entwickeln. Ein Weiterführen mit CentralSpot hätte zum Aufbau einer neuen Softwareagentur geführt. Das war jedoch nie unser Ziel. Wir haben noch versucht unser Produkt anzupassen, kleine “Pivots” vorgenommen und immer wieder Markt- und Zielgruppenanalysen durchgeführt. An einem gewissen Punkt haben wir jedoch gespürt, dass es nicht mehr das Richtige war.
start.land.flow: Inwieweit war das Scheitern für Euch positiv?
Schmitt: Tatsächlich war es die beste Entscheidung, CentralSpot auszugründen. Wir haben es mit unserer Kundenplattform in renommierte Startup-Programme geschafft: den ZOLLHOF Batch sowie die Silicon Valley School der TH Deggendorf. Solche Möglichkeiten ergeben sich erst nach dem Sprung ins kalte Wasser. Auch in 1000 Büchern hätten wir nicht das Wissen zur Gründung eines skalierbaren Produkts erhalten wie durch diese Erfahrung. Auch als Team sind wir noch viel stärker zusammengewachsen und wissen, welche Hürden wir als Co-Founder überwinden können.
start.land.flow: Wie ging es dann für Euch weiter?
Schmitt: Als wir CentralSpot nach etwa sieben Monaten eingestampft haben, wussten wir: Wenn wir jetzt auf einem weißen Blatt Papier mit einem Produkt starten, das uns am Herzen liegt, sind wir in zwei Wochen weiter, als wir jemals mit dem alten Unternehmen waren. Und so ist es gekommen, auch wenn es kurzfristig schwerfällt loszulassen und in etwas Unbekanntes zu springen. Die Gründung eines Startups kann man tatsächlich lernen und beim zweiten Anlauf weiß man viel besser, worauf es ankommt. So haben wir von Tag eins bei Globemee die richtigen Dinge gemacht, direkt mit der Zielgruppe gesprochen und ehrliches Feedback eingeholt. Diesmal sind wir außerdem ohne Branding gestartet, mit Fokus auf unser Produkt. Oft konzentriert man sich zu Beginn auf die falschen Dinge und verschwendet damit viel Zeit.
start.land.flow: Was macht Globemee besonders?
Schmitt: Globemee gibt Unternehmen in wenigen Klicks Zugriff auf den weltweiten Arbeitsmarkt und matcht Talente mit Firmen nicht nur anhand von Hard Facts, sondern auch persönlichen Faktoren und Präferenzen. Der Visumsprozess wird durch Automatisierung stark vereinfacht und die ganze Recruiting-Erfahrung zum Erlebnis. Für Talente aus Lateinamerika und später aus der ganzen Welt stehen wir als Freunde und Ansprechpartner:innen zur Verfügung. Ein Herzensprojekt mit viel Liebe und Knowhow umgesetzt – genau, was der Markt aktuell braucht.
start.land.flow: Hast Du Dir ein Projekt und eine Arbeit dieser Art schon länger vorgestellt?
Schmitt: Tatsächlich ist Globemee mein absoluter Lebenstraum – schon im Studium war ich ehrenamtlich als Vice President Incoming Exchange im Vorstand der internationalen Studentenorganisation AIESEC und habe globale Talente an deutsche Firmen vermittelt. Auslandserfahrungen haben zudem auch mein eigenes Leben positiv verändert: Ich war für zwei Semester in Argentinien und Kolumbien sowie für ein Praktikum in Nicaragua und wurde überall mit offenen Armen empfangen. Vor Ort in Lateinamerika wurde mir bewusst, wie schlecht die wirtschaftliche Situation ist und hoch qualifizierte Talente kaum mehr als 300 Euro im Monat verdienen. Für viele ist es ein Traum, in Deutschland zu leben und zu arbeiten und sich ein erfülltes Leben aufzubauen. Als Chris und ich entschlossen, CentralSpot einzustampfen, haben wir über unsere beruflichen Träume und Wünsche gesprochen und da kam es wie von Zauberhand: Fachkräftemangel in Deutschland – ambitionierte Talente, die in Deutschland arbeiten wollen und meine Passion für Lateinamerika: Globemee war geboren und Chris sofort begeistert. Gemeinsam haben wir weiter gebrainstormt und die Idee ausgearbeitet. Kombiniert mit Chris Tech-Expertise wurde die Grundlage für eine dringend notwendige Talent-Matching Plattform geboren.
start.land.flow: Was ist der aktuelle Stand?
Schmitt: Wir haben über 3.000 Follower und 400 Talente auf der Plattform und das nach kürzester Zeit. Die erste Low Code Version der Plattform wird im Februar ausgerollt. Im Backend wird der Matching-Algorithmus verfeinert. Hier arbeiten wir auch mit Professoren der Bamberger Universität zusammen.
start.land.flow: Was ist bei Globemee dieses Jahr noch geplant?
Schmitt: Es ist ein Wechsel der Plattform von Low Code auf Flutter und Optimierung des Matching-Algorithmus geplant. Unsere Talent-Community soll auf 40.000 Leute in Social Media wachsen. Aktueller liegt dabei der Fokus auf ITlern und Ingenieuren. Ende des Jahres planen wir die Erschließung eines weiteren Berufsfeldes. Es ist noch einiges mehr geplant: Lasst Euch überraschen.
Danke für das tolle Interview und viel Erfolg mit Globemee!