08.06.2021Projekte

Papayas aus Oberfranken? Das Tropenhaus Klein Eden

Foto: Alisa Ehrlicher

Ein Tropenhaus im Frankenwald? Im Sibirien Bayerns? Wenn man das erste Mal davon hört, fragt man sich zwangsläufig, ob man nicht verschaukelt wird.

Kaum zu glauben aber wahr, dass in der klimatisch rauen Region am Rennsteig Maracujas blühen, Kakaofrüchte wachsen und Bananen reifen. Klein-Eden heißt das Tropenhaus, unter dessen Glasdach auf rund 3.500 m² exotische Früchte erforscht und in Bio-Qualität erzeugt werden. Und nicht nur das: Im Wasser zu Füßen der Bäume drehen Nilbarsche und Pacus, Verwandte der Piranhas, ihre Kreise.

Wie aus Abwärme tropische Früchte wachsen

Aber wie ist das in Oberfranken möglich? Woher kommt die Energie, das Tropenhaus zu heizen? Und ist das nicht wahnsinnig teuer? Ganz klare Antwort: Nein, ist es nicht. Denn die Energie zum Beheizen des Tropenhaus, steht bereits zur Verfügung– sie wurde nur vorher nicht genutzt.

Der Frankenwald ist schon immer eine Region der Glasbläser, auch heute noch. So steht in Sichtweite des Tropenhauses die Glashütte von Heinz Glas, einem seit 1622 bestehenden Unternehmen, das heute hauptsächlich Glasflakons für die Parfümindustrie herstellt. Um die nötige Hitze für das Glasschmelzen zu erzeugen, wird eine große Menge an Energie benötigt. Diese Wärme ist jedoch nicht vollständig recyclebar – und genau darin liegt der Grundstein für das Tropenhaus.

Das Tropenhaus in Kleintettau entstand 2013 als Referenzprojekt für die energieeffiziente Abwärmenutzung im Niedrigtemperaturbereich. Die großen Mengen anfallender Restabwärme (35-38°C Vorlauftemperatur) aus der Glasproduktion werden über Leitungen in Klein Eden eingespeist und sorgen so für die klimatischen Voraussetzungen zur Zucht der tropischen Pflanzen- und Tierwelt. Ein in Deutschland einmaliges Projekt industrielle Abwärme zu nutzen. Ganz ohne zugekaufte Energie kann das Tropenhaus im Moment leider noch nicht wirtschaften, aber immerhin ist Klein Eden schon zu 93% autark.

Eine runde Sache

Doch nicht nur die Energieeffizienz und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zeichnen das Umweltprojekt Klein Eden aus: Das Ziel ist es, intelligente ökologische Kreisläufe und nachhaltiges Wirtschaften für jedermann erlebbar zu machen. Der nahezu geschlossene Kreislauf der Bewirtschaftung im Tropenhaus nennt sich Polykultursystem. In diesem System werden Ressourcen wie Wasser, Energie und Nährstoffe mehrfach genutzt. Das Wasser aus der Zucht der tropischen Speisefische dient z.B. als Dünger für die Pflanzen.

Im Produktionshaus von Klein Eden wird unter nachhaltigen Bedingungen erforscht, wie man tropische Nutzpflanzen wirtschaftlich, ohne lange Transportwege und mit nur geringen Schadstoffemissionen unter Glas in Mitteleuropa erzeugen kann. So ist es auch erstmalig möglich, Früchte wie die Sternfrucht in vollreifem Stadium quasi direkt vom Baum zu kosten. Ein echtes Geschmackserlebnis, der nicht mit den im Supermarkt gekauften Früchten vergleichbar ist. Vielleicht finden sich so in Zukunft regional angebaute Papaya, Bananen und Guaven in der Obsttheke – das Tropenhaus Klein Eden forscht bereits daran.

Tropen erleben

Während die Besucher*innen im Forschungshaus also alles über den Anbau von tropischen Früchten lernen können, lässt sich im Schauhaus von Klein Eden noch mehr hautnah erleben. Hier wachsen über 220 Pflanzenarten aus den Tropen unter möglichst naturnahen Bedingungen. Schon wenn man  durch die Tür tritt, schlägt einem die warme und feuchte Luft entgegen. Mit einem Schritt aus dem fränkischen Wetter in das Klima der Tropen. Neben Kakaobäumen, Lulo-Pflanzen und Jackfrucht-Bäumen lässt sich hier auch die Tierwelt entdecken. In der Sonderausstellung „Faszination Tropen erleben“ können die Besucher *innen Reptilien und Amphibien in ihrer außergewöhnlichen Vielfalt erleben. Neben Riesenschlangen, Pfeilgiftfröschen und Schildkröten fühlt man sich doch wie auf einer Entdeckungsreise durch den Urwald. Ganz Mutige können die ungiftigen Arten sogar anfassen und streicheln!

So einzigartig wie das Tropenhaus an sich ist auch die barrierefrei konzipierte Besucherführung:  Wer sich allein auf die Reise begeben möchte, kann mithilfe von Multimedia-Guides das Gewächshaus auf eigene Faust erkunden. Auch seh- oder hörgeschädigte Menschen, sowie Rollstuhlfahrer können die Tropen uneingeschränkt erleben. Die Erläuterungen der Guides sind durch akustische Einspielungen wie Blätterrascheln unterlegt, wenn man beispielsweise an einer großen Palme vorbeiläuft. Die Tour steht auch in Gebärdenspräche sowie mit kurzen Videos und Bilder untermalt bereit. Wer sich lieber durch das Tropenhaus führen lassen möchte, kann sich natürlich auch von den geschulten Mitarbeiter*innen durch die Wunderwelt der Tropen führen lassen.

Die Früchte, Kräuter und Fische können Besucher*innen übrigens vor Ort gleich mitnehmen. Neben der Frischware stellt das Tropenhaus Klein Eden auch Marmeladen, Chutneys und Essige her. Das außergewöhnliche Projekt hat auch die Aufmerksamkeit der Gastronomie auf sich gezogen: Der oberfränkische Sternekoch Alexander Herrmann bezieht von hier seine tropischen Früchte. Und auch aus der ganzen Republik häufen sich die Anfragen.

Ihr würdet gerne einmal einen Ausflug in die Tropen machen, ohne ins Flugzeug steigen zu müssen? Dann informiert euch doch hier.

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