Ist Glück mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz messbar? Das Projekt Happimeter
Wie glücklich bist du gerade? Und weißt du, was dich glücklich macht und was nicht? Ein internationales Forschungsteam hat eine App für Smartwatches entwickelt, die basierend auf Künstlicher Intelligenz den Nutzer*innen dabei helfen soll, zu erkennen, wodurch bestimmte emotionale Zustände bei ihnen ausgelöst werden, und somit bewusster mit ihren Gefühlen umzugehen. Wie das genau funktionieren soll und wie die Universität Bamberg in das Forschungsprojekt eingebunden ist, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
KI-Forschung in Bamberg & Kooperation mit dem MIT
An der Universität Bamberg wird schon seit einigen Jahren vielseitig zu Künstlicher Intelligenz geforscht. Eines der Forschungsprojekte ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Es befasst sich mit der Frage, wie man mit Hilfe von Smartwatch-Sensoren das Glücksniveau von Einzelpersonen und Gruppen messen und vorhersagen kann. Somit können wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Aktivitäten, Sensorsignale oder andere Personen sie glücklicher oder unglücklicher machen. Denn Glück erhöht nicht nur die Produktivität und Arbeitsleistung, sondern verbessert allgemein auch die Gesundheit.
Nicht zu fassen?!
Studie sind wir Menschen ausgesprochen schlecht darin zu erkennen, wann wir traurig oder gestresst sind. Dabei kann sich das Bewusstmachen der eigenen Emotionen im Alltag als große Hilfe erweisen. Angst kann uns z.B. vor einem Autounfall bewahren, wenn es den Fahrer oder die Fahrerin dazu bringt, auf die Bremse zu treten. Andererseits kann sie uns aber auch hemmen, wenn es keinen Grund gibt, Angst zu haben.
Laut einer aktuellenAuch die Messung von Glück ist schwer greifbar. Bisher wurde es fast ausschließlich durch Erhebungen zum selbst wahrgenommenen Glück ermittelt. Das besagte Forschungsteam entwickelte daher einen neuartigen Ansatz, der Glück und Stress durch Veränderungen der Körpersignale mit einer Smartwatch, dem "Happimeter", erfasst.
So funktioniert das Happimeter
Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz kann das Happimeter individuelle Emotionen aus Sensordaten wie Beschleunigung, Herzschlag und Aktivität voraussagen, die von einer Android Wear oder Apple-Smartwatch erfasst werden. Um das System zu trainieren und maßgeschneiderte Ergebnisse zu erhalten, ist in die Happimeter-Anwendung eine Umfrage integriert, die die User*innen etwa alle zwei Stunden zu ihrem Aktivitätsniveau, ihrer Zufriedenheit und ihrem Stress befragt.
Gleichzeitig prognostiziert diese Umfrage das Stimmungsniveau und liefert den User*innen eine Einschätzung darüber, wie sie sich fühlen. Sie können diese vorgeschlagene Stimmung dann entweder bestätigen oder ablehnen und korrigieren. Somit wird die Vorhersage basierend auf ihrem Feedback trainiert.
Fragen an den Projektleiter vom MIT
Wir von start.land.flow wollten mehr wissen und haben Peter A. Gloor, Research Scientist am Center for Collective Intelligence an der Sloan School of Management des MIT, zum Happimeter-Projekt befragt.
start.land.flow:Herr Prof. Dr. Gloor, Sie geben regelmäßig Seminare zu KI, Machine Learning und Online Social Networks, u.a. an der Universität Bamberg. Können Sie mir sagen, wie die Happimeter-Experimente mit Beteiligung der Bamberger Studierenden aussahen?
Peter A. Gloor: Die Studenten trugen die Uhren, anfänglich die ganze Zeit, später nur noch in der Vorlesung. Dies gestattete uns, die Happiness und den Stress der Studenten erstens zu messen, und zweitens zu kalibrieren. In der Kalibrierungsphase vibrierte die Uhr zu zufälligen Zeiten, die Studenten gaben dann auf der Uhr ihre Happiness, den Stress, und während der Vorlesung auch, ob sie meinen Stoff verstanden ein. Gleichzeit maß die Uhr die Bewegungen und den Herzschlag der Studenten. Diese Sensordaten wurden benutzt, und die Grundeinstellungen zu bestimmen. In der zweiten Phase maß die Uhr die gleichen Daten, und bestimmte daraus dann Stress, Happiness und Verständnis des Stoffes in der Vorlesung.
start.land.flow:Sie berichteten mir bereits, dass das Happimeter auf direkter Interaktion beruht und Sie aufgrund des Corona bedingten Fernunterrichts auf „Emotionsexperimente mit Zoom“ umsteigen mussten. Was hat es damit auf sich?
Gloor: Das Happimeter braucht die Smartwatch, die den Studenten im Home-Office nicht zur Verfügung stand. Wir haben deshalb die Emotionen der Studenten und Dozenten aufgrund ihres Gesichtsausdrucks und des Tonfalls der Stimme im Webconferencing berechnet. Dazu gibt es mittlerweile sehr viele Softwarebibliotheken. Zur Kalibrierung haben wir die Studenten wieder gebeten, ihre Beurteilung der Online-Vorträge abzugeben. Anschließend konnten wir aufgrund des Gesichtsausdrucks und des Tonfalls der Teilnehmer die Qualität der Vorträge bestimmen mit Hilfe der Webcam. Alle diese Projekte speichern nur anonyme Emotionen, keine individuellen Studentendaten.
start.land.flow:Zurück zum Happimeter. In Ihrer Studie „Measuring happiness increases happiness” wurde das Happimeter über drei Monate im Innovationslabor einer Bank mit 22 Mitarbeiter*innen eingesetzt, um individuelles Glück, Aktivität und Stress zu messen. Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe mit ähnlicher Größe eingeteilt, wobei nur die Versuchsgruppe laufend Rückmeldung über ihre Stimmung und darüber erhielt, welche Aktivitäten, Sensorsignale oder andere Personen sie glücklicher oder unglücklicher machten. Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Mitglieder der Versuchsgruppe, die Glücksfeedback erhielten, waren am Ende des Experiments 16% glücklicher und 26% aktiver als die Kontrollgruppe. Wie erklären sie diesen sogenannten „Heisenberg-Effekt“ (für Laien)?
Gloor: Ich begründe das durch einen „virtuellen Spiegel Effekt“. Wenn mir gesagt wird, was und wer mich glücklich oder unglücklich macht, dann werde ich mein Verhalten entsprechend anpassen. Z.B., wenn ich sehe, dass Herr Wegener weniger glücklich ist, wenn er mit mir kommuniziert, werde ich meinen Umgangston ändern.
start.land.flow:Das Happimeter ist nun als Smartwatch-App für alle Nutzer*innen verfügbar. Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?
Gloor: Wir haben festgestellt, dass das Happimeter gut für Experimente geeignet ist, aber es hat den Nachteil, dass der Benutzer eine passende Smartwatch tragen muss. Wir haben deshalb eine Light-Version namens Social Compass entwickelt, die nur das Handy benötigt. Sie misst die Emotionen aus E-Mail, Teams, und Kalender aus dem Text, und sagt mir dann was und wer mich glücklich macht. Auch hier wird die Anonymität absolut gewährt, da nur Emotionen berechnet werden, und keine Inhalte gespeichert werden.