04.08.2021Projekte

Freie Fahrt in Richtung Zukunft: Smart City Hof

Foto: genussbiken.de

Nachdem wir in den letzten Wochen bereits über die Vorhaben der Smart City Projekte in Wunsiedel im Fichtelgebirge und Haßfurt berichtet haben, möchten wir nun ein Einblick in ein jüngeres Modellprojekt geben. Im November 2020 bekam der Landkreis Hof ebenfalls die Zusage für das Programm und befindet sich nun in der Konzeptionsphase für den weiteren Förderzeitraum. Wir hatten die Möglichkeit, dem Programmleiter Hermann Hohenberger einige Fragen zum aktuellen Stand des Projekts zukommen zu lassen.

Smart City geht in die zweite Runde

Nach Zusicherung der Förderung für 16 ausgewählte Städte und Landkreise im Rahmen der ersten Staffel entschied sich die Bundesregierung für eine Fortsetzung des Programms. Aus zahlreichen Bewerbungen wurden weitere 32 Projekte ausgewählt, die im Rahmen von Smart City gefördert werden sollen, darunter auch die Stadt Bamberg und der Landkreis Hof. Vor Herrn Hohenberger und seinem Team aus Hof liegt nun die Aufgabe, einen Plan zu entwickeln, mit welchen Vorhaben sie die Digitalisierung in der Region vorantreiben und dadurch einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Menschen im Landkreis stiften möchten.  

start.land.flow: Welche Themen im Bereich der Digitalisierung liegen den Bürger:innen in der Region besonders am Herzen?

Hohenberger: Als erste Stufe der Bürgerbeteiligung haben wir Interviews mit Personen zu Schwerpunkten in verschiedenen Lebensbereichen durchgeführt. Die wichtigsten Themen sind im Bereich Digitalisierung und Smart Cities die Infrastruktur (Glasfaser, schnelle Internetverbindung, Mobilfunkabdeckung) sowie die Versorgung im ländlichen Raum.

Es beginnt einen Wandel in der Wahrnehmung. Wurde Digitalisierung in den vergangenen Jahren eher als Computerthema betrachtet, beginnt eine erweiterte Sichtweise Raum zu greifen, die besonders diese Frage stellt: „Wie können wir intelligente Lösungen und Technologien einsetzen, um die Lebensqualität in unserem Landkreis zu verbessern?“ Wir sammeln und gewichten derzeit Vorschläge, die von der Vereinfachung von Behördengängen über vereinfachtes Melden von Verunreinigungen und Schlaglöchern bis hin zur Selbsthilfegruppe 4.0 reichen.

start.land.flow: Welche Chancen sehen Sie in dem geplanten digitalen Zwilling bzw. in welchen Bereichen könnte dieser Anwendung finden?

Unter einem digitalen Zwilling versteht man ein virtuelles Modell eines Produkts oder Prozesses, das auf realen Daten basiert. Durch die digitale Aufbereitung dieser Daten lassen sich komplexe Simulationen durchführen, die dabei helfen können, aktuelle Probleme zu verstehen und künftige vorhersagen zu können. Im Kontext von Smart City kann dies in Form eines digitalen Nachbaus einer Stadt oder Gemeinde umgesetzt werden, in dem sich beispielsweise Verkehrsströme simulieren lassen. (Illustration: Flaticon.com)

Hohenberger: Die bundesweite Diskussion und Entwicklung des „Digitalen Zwillings“ geht in Richtung eines „Basis Zwillings“ und differenzierter „Fachzwillinge“. Allen gemeinsam ist eine breite Datenbasis, die wir Data Lake nennen. Verschiedene Lebensbereiche können als Daten abgebildet werden, um bessere Entscheidungsgrundlagen zu erhalten und um Simulationen durchführen zu können.

Am Beispiel: ein „digitaler Zwilling“ der Wasserversorgung kann in Echtzeit und durch Abgleich mit der Wettervorhersage Knappheiten vorhersagen und so frühzeitig Aktivitäten triggern. Ein „digitaler Zwilling“ der Pendlerströme kann bei der Planung von Winterdiensteinsätzen hilfreich sein und die Basis für innovative Mobilitätslösungen bilden. Ein „digitaler Zwilling“ der Gesundheitsvorsorge kann zukünftige Anforderungen erkennen und so rechtzeitig Ressourcen allokieren (Anm.d. Red.: bereitstellen).

start.land.flow: Für einen solchen Zwilling benötigt man Unmengen an Daten. Einige dieser Daten möchten Sie als Open Data Pool der Bevölkerung zugängig machen. Wie gedenken Sie, diese Daten so zu gestalten, sodass sie den Bürger*innen nützen können?

Hohenberger: Die Visualisierung von Daten ist eine riesige Herausforderung. Es gibt mittlerweile eine Fülle von Daten und die Kunst ist, die richtigen Daten zur Verfügung zu stellen und sie so aufzubereiten, dass die Akteure einen Nutzen daraus ziehen können. Wir arbeiten an Dashboards zu verschiedenen Themen und Kennzahlen, die uns zeigen, welche Maßnahmen Erfolge und Fortschritte bringen. Diese Darstellungen werden wir in enger Abstimmung mit den Akteuren entwickeln.

Das Leerstandsmanagement benötigt andere Daten und Visualisierungen als die Integrationslotsen. Das Smart Cities Team wird auch eine Art Auskunft sein und Expertise darin haben, zu wissen, wo es welche Daten gibt, und bei der Visualisierung für die entsprechenden Fragestellungen behilflich sein.

Ein sogenannter Open Data Pool bezeichnet eine offen zugängliche Schnittstelle aller relevanten Daten, die für einen bestimmten Bereich gesammelt werden. Im Fall des Landkreises Hof könnten sich so die Bürger*innen einen Überblick über die Daten verschaffen, anhand derer Entscheidungen für die Region getroffen werden. Bei der Gestaltung des Datenpools achtet das Smart City Team auf eine genaue Einhaltung der DSGVO und möchte sicherstellen, dass die Daten in kommunaler Hand bleiben. (Illustration: Flaticon.com)

start.land.flow: Mit dem Hofer Landbus und den Shuttles der REHAU AG + Co gibt es bereits zukunftsträchtige Konzepte zur Mobilität in der Region. Inwiefern spielt das Thema eine Rolle für das Smart City Projekt?

Hohenberger: Der Landkreis Hof ist mit dem Hofer Landbus sehr gut aufgestellt. Das Projekt wird aus der ersten Phase nun auf den Landkreis ausgerollt. Das Modellprojekt Smart Cities im Landkreis Hof wird hier in der Auswertung von Daten aktiv werden. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Netzwerks von Verkehrsangeboten ein Thema sein und natürlich auch Gedankenspiele zu „welches Angebot wird den Hofer Landbus einmal ablösen“.

start.land.flow: Im Bereich der nachhaltigen Versorgung benennen Sie verschiedenste Bereiche, in denen Sie den ländlichen Raum unterstützen wollen, so u.a. Waren, Mobilität und Medizin. In welchem Bereich sehen Sie die größte Herausforderung für eine flächendeckende, nachhaltige Versorgung?

Hohenberger: Die Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs (digitale Dorfläden) ist ein Thema, bei dem es schon unterschiedliche Modelle gibt, die durch digitale Methoden optimiert werden. In diesem Bereich kooperieren wir schon mit regionalen Anbietern von E-Commerce-Angeboten. Weit wichtiger ist aber die medizinische Versorgung. Hier sehen wir einen Mix aus Telemedizin, e-mobilen Dienstleistungen, virtuellen Selbsthilfegruppen und natürlich auch die Sicherung von gut und schnell erreichbaren Arztpraxen.

In der Regel spricht man dann von Telemedizin, wenn medizinische Leistungen über eine räumliche Distanz hinweg angeboten werden. Dabei nutzen Mediziner*innen und Patient*innen digitale Hilfsmittel. Darunter fallen zum Beispiel Apps, Videotechnologie oder Plattformen für Telekonsile, also digitale Treffen von Ärzt*innen zum Austausch über bestimmte Patientenfälle. (Quelle: AOK; Foto: national-cancer-institute)

start.land.flow: Sind schon erste konkrete Projekte aus den 5 vorgestellten Themen (Open Data Pool, Digitaler Zwilling, Energie & Wasser, Nachhaltige Versorgung, Digitale Teilhabe) in der Planung?

Hohenberger: Wir nehmen uns tatsächlich Zeit für die Strategie und fragen Bedarfe ab, um diese in Ideationworkshops (Anm. d. Redaktion: Ideation bezeichnet eine Form der gemeinsamen Ideenfindung) in Anwendungen und Lösungen zu verwandeln. Aber natürlich laufen schon Projekte an. So ist ein IoT-Sensorennetzwerk Wasserstände/CO2 in Planung, die Digitalisierung der Jugendarbeit, Projekte in der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund etc. unterwegs. Wir sehen das Projekt aber auch als Unterstützung einiger gut angelaufener Aktivitäten (Hofer Landbus, eNurse, Solarpotentialkataster, etc.), die wir durch Daten und Digitalisierung noch besser machen können.

start.land.flow: Mit der Initiative #hoferlandstrikesback gibt es schon eine innovative Initiative zur digitalen Vernetzung von Jugendlichen. Als Digital Natives sind diese vermutlich aber auch allgemein empfänglicher für Discord-Server und andere Online-Dienste. Wie versuchen Sie sicherzustellen, dass sich die ältere Bevölkerung jederzeit im Smart City Projekt eingebunden fühlt?

Hohenberger: Die so genannte ältere Bevölkerung ist gar nicht so „undigital“, wie man manchmal meinen möchte. Viele Menschen sind gut vertraut mit Smartphones und können mit Skype oder anderen Angebote sehr gut umgehen. Aber natürlich werden wir unsere Inhalte barrierefrei anbieten, damit immer ein guter Zugang möglich ist.

Unser Ansatz ist eher ein persönlicher. Wir haben z. B. eine Alzheimer-Selbsthilfegruppe unterstützt und ausgebildet, um während der Pandemie den Zusammenhalt und Austausch zu gewährleisten. Und wir motivieren diese Teilnehmer, ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Bei Problemen helfen wir dann wieder. Dabei geben wir Hilfe zur Selbsthilfe, ohne zur „IT Hotline“ zu werden. Mit Bildungsträgern aus der Region bieten wir Schulungen an und motivieren, diese auch wahrzunehmen.

start.land.flow: Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Informationen über aktuelle Projekte des Smart City Teams findet ihr auf der Seite von hoferLand.digital.

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