15.03.2022Digitalisierung

Digitale Initialfunken bei Handwerker*innen entfachen

Vom papierlosen Büro bis zu kollaborierenden Robotern: Der Technikshowroom Bayreuth hilft dem Handwerk, sich in puncto Digitalisierung zukunftsfähig aufzustellen. Vor welchen Herausforderungen er aktuell steht und welche neuen Technologien in den nächsten Jahren auf das Handwerk warten, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Der Technikshowroom Bayreuth ist der „Schaufensterpartner“ der Handwerkskammer für Oberfranken und Teil des Projektes „Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk“, das über das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wird. Der Showroom in Bayreuth ist schon während der ersten Projektlaufzeit entstanden, die 2016 mit dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk startete. Seit Mitte 2021 läuft nun die zweite Förderphase. Mittlerweile besteht der Showroom aus einer Reihe technologischer Anschaffungen, darunter Drohnen, 3D-Drucker sowie Demonstratoren der RFID-Technologie, die zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten eingesetzt wird.

Für wen der Technikshowroom gedacht ist

„Sinn und Zweck ist es, Demonstrationsmöglichkeiten für die Handwerksbetriebe bereitzustellen“, erklärt Oliver Eismann, stellvertretender Projektleiter des Mittelstand-Digital Zentrums Handwerk. Es gehe darum, bei Anfragen oder Informationsveranstaltungen direkt vor Ort die Möglichkeit zu bieten, mit dem Medium selbst Hand anzulegen und somit auch mal etwas auszuprobieren. Wie zum Beispiel den Kunststoff-3D-Drucker, den unter anderem Orthopäden nutzen können, um Fußeinlagen prototypisch auszudrucken. Das soll den Einstieg in die neuen Technologien so einfach wie möglich gestalten.

Auf die Frage, ob die Handwerker*innen schon mit einer konkreten Idee zum Technikshowroom kommen, die sie gerne realisieren möchten, oder erstmal grundlegende Ideen sammeln wollen, antwortet Herr Eismann: „sowohl als auch; wir versuchen den Handwerker da aus unterschiedlichen Richtungen zu erreichen“. So gäbe es die Handwerker, die schon eigene Ideen bis hin zu einem Digitalisierungspfad haben. „Aber das ist der geringere Anteil“, meint Eismann. Für ihn und seine Kolleg*innen gehe es meist darum, den „Initialfunken beim Handwerker zu zünden“ und dann zu hoffen, dass sich daraus eine konkretere Idee oder ein Weg vorzeichnet.

Die größten Herausforderungen

Wie schon zu erwarten, ist auch für das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk Corona aktuell die größte Herausforderung. „Wir versuchen, so weit es geht auf Online-Formate zu wechseln, stoßen da aber an unsere Grenzen. Zum Beispiel wenn es darum geht, live an den Demonstratoren zu stehen und diese zu erläutern“, so Eismann. Eine andere Herausforderung sei, dass der Fördermittelgeber die Projekt-Ziele dahingehend verschoben hat, dass immer mehr hoch-technologische Themen auf der Agenda stehen, wie zum Beispiel künstliche Intelligenz, Robotik und Internet of Things (IoT). Gerade das seien Bereiche, wo das Handwerk noch die größte Lücke aufweist; wo das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk teilweise noch Probleme hat, das Handwerk zu erreichen, erklärt Eismann.

Sein Kollege Robert Falkenstein, Projektmitarbeiter im Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk, ergänzt: „vorher waren die Themen etwas niederschwelliger, wie z.B. das digitale Büro. Da war es noch relativ einfach, unsere Zielgruppe abzuholen, indem wir die Technologien mit Use-Cases versehen. Aber jetzt haben wir zum Beispiel das Themengebiet Robotik, da stellen wir uns erstmal die Frage: Wer kann das überhaupt einsetzen? Ok, ein Roboter hilft beim Bewegen schwerer Sachen, aber ab wann ist eine Sache schwer? Und lohnt sich da ein Roboter oder haben sie vielleicht schon eine Hebebühne dafür?“

Gleiches Problem beim Themenfeld IoT: „Wir sollen ja möglichst alle Gewerke ansprechen, aber das ist im Handwerk nun mal sehr breit gefächert. Vom Ausbaugewerbe oder Elektriker bis hin zum Bauhauptgewerbe wie Maurer, die man klassisch vom Handwerk kennt. Aber wir haben ja auch Bäcker, Änderungsschneider und Mechatroniker, und die musst du auch irgendwie bespielen können“, so Falkenstein. Das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk steht also vor der Herausforderung, Use-Cases für den Technikshowroom zu finden, die möglichst breit anwendbar sind. Ein Büro hat jeder, aber braucht auch jeder einen Roboter? In Verbindung mit Corona offenbart sich ein weiteres Problem: „aktuell können wir nicht in die Betriebe fahren, um Betriebsdialoge zu führen und die Use-Cases herauszufinden“.

Mit der Digitalisierung überfordert?

Herr Eismann berichtet, dass viele Betriebe mit der Digitalisierung überfordert seien. Häufig fehle das Know-How, aber auch die Zeit und das Personal. Genau hier sollen die Betriebe mit dem Förderprojekt unterstützt werden, und von den digitalen Anwendungen im Handwerk profitieren. Die größten Vorteile seien Zeitersparnis, eine optimierte Lagerung und Logistik sowie eine flexible Arbeitsorganisation. „Man versucht, durch Digitalisierungsmaßnahmen eine gewisse körperliche Entlastung bzw. eine höhere Arbeitsplatzattraktivität herzustellen, sodass der Fachkräftemangel ein Stück weit kompensiert wird und sich wieder mehr der jetzigen Generationen für das Handwerk entscheiden“, so Eismann. „Wenn man sich die Wertschöpfungskette im Handwerk einmal anguckt, gibt es etliche Schnittstellen, ob es Apps, Automatisierungen oder Online-Terminvereinbarungen sind“.

Die meisten Anfragen, die das Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk erreicht, greifen noch das Thema „Digitalisierung im Büro“ auf. Darunter sind zum Beispiel Fragen zur Softwareeinführung von Programmen wie EAP oder CAM. „Das sind noch Nachwehen der ersten Förderphase. Für die neueren Themen tun wir uns noch schwer. Aber wir sind auch noch in der Hochlaufphase, muss man sagen“, erklärt Eismann.

Was kommt Neues dieses Jahr?

„Wir in Bayreuth haben uns auf die Schwerpunkte „Smart Work/Education“ und „Smart Production“ festgelegt“, berichtet Eismann. „Also vor allem Robotik, Fertigungs- und Automatisierungstechnologien. Darauf sind auch unsere Demonstratoren ausgerichtet“. Dieses Jahr sollen weitere Themen hinzukommen, darunter im ersten Halbjahr 2022: digitale Assistenzsysteme in der Vermessungstechnik, wie zum Beispiel ein Raumscanner, der mit digitalen Punktwolken Räume in 3-D misst. Im zweiten Halbjahr wird es um Robotics und Kobots gehen. Ko-Was?

„Ein normaler Industrieroboter kann sich selbstständig bewegen, nachdem man ihm es gezeigt oder ihn programmiert hat“, erklärt Falkenstein. „Ein Kobot hingegen hat insoweit die Sensorik, dass er seine Umgebung wahrnimmt und gegebenenfalls auch abstoppen kann, wenn er merkt, da ist etwas im Weg“. Dadurch sei die Verletzungsgefahr geringer und man könne sogar mit ihnen kollaborieren. Daher auch der Begriff: Kobot = kollaborativer Roboter. „Er wird häufig dort eingesetzt, wo viele Handgriffe notwendig sind. In den nächsten Monaten bekommen wir auch einen Kobot bei uns im Showroom eingerichtet“, erzählt Falkenstein.

Ebenfalls auf dem Plan steht das Thema „Weiterqualifizierung“. In diesem Jahr sollen diverse Veranstaltungen stattfinden, darunter eine Schulung zum Metall-3D-Druck, in der es um additive Fertigung im Bereich der Metalle geht, sowie Infoveranstaltungen und Schulungen zum ersten Einstieg in die Robotik, voraussichtlich auch als E-Learning.

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