18.01.2022Startups

Die hängenden Gärten von Bayreuth

Foto: Myriad

Es geht doch nichts über frisches Basilikum, selbstgezüchtete Tomaten oder Zucchini aus eigenem Anbau. Aber so eine Stadtwohnung ist ja kein Bauernhof. Oder doch? Zwei kreative Gründer*innen haben sich vor einiger Zeit eine umweltfreundliche, platzsparende und vor allem leckere Lösung für dieses Problem überlegt.

Im Allgemeinen haben es Zimmerpflanzen den Deutschen so richtig angetan. Bei einer Umfrage von Statista und dem Marktforscher YouGov aus dem vergangenen Jahr gaben 74 Prozent der Befragten an, ein Gewächs in ihrer Wohnung zu haben. Doch wahrscheinlich geht diese Pflanzenliebe nicht über den einen standhaften Kaktus, die stets leicht verwelkte Palme oder die Supermarkt-Kräuter-Parade hinaus. Schuld daran sind wohl der Mangel an Platz und grünen Daumen. Dank der Erfindung von Miriam Martín González und Yannic Hönle braucht man jedoch weder das eine noch das andere. Die Lösung heißt Myriad.

Myriad ist ein vertikaler Garten, der wie ein Bild überall Zuhause aufgehängt oder auf ein Regal gestellt werden kann. Zusätzlich braucht es nur eine Steckdose und schon kann es losgehen. Auf nur 0,25 Quadratmeter können sich darin 16 verschiedene Pflanzen, unabhängig von der Jahreszeit, einnisten. Die innovative Grünfläche ist mit einer adaptiven Beleuchtungs- und automatischen Bewässerungstechnologie ausgestattet, sodass die Pflanzen während des gesamten Wachstumsprozesses optimal versorgt sind. Das Versprechen der Gründer*innen: „Deine Pflanzen wachsen doppelt so schnell!“

Intensive Forschung für den Erfolg.Intensive Forschung für den Erfolg.

Von Technik und Botanik

Das liegt an der ausgefeilten Technologie. Den Grundstein legte Miriam bereits während ihrer Masterarbeit über neuartige Kontroll- und Erfassungsmechanismen in erdlosen Anbausystemen. Im Nachhinein bezeichnen die beiden das als „Geburtsstunde“ von Myriad. Denn daraus entwickelten sich die drei entscheidenden Elemente des Indoor-Gartens. Zum einen ist das die Pflanzenbeleuchtung. Das System dimmt das Licht je nach Bedarf oder schaltet es ganz aus, wenn die Pflanzen ausreichend Sonnenlicht haben. Der zweite Faktor ist Aeroponik. Bei dieser bewährten Anbaumethode bekommen die Pflanzen über einen Nebel eine perfekt portionierte Nährstofflösung. Zuletzt ist der Garten mit einem Sensor ausgestattet, der alle möglichen Wachstumsparameter misst und die nötigen Reaktionen in Gang bringt. Der Garten versorgt sich also gewissermaßen von selbst. Zusätzlich kann der*die Nutzer*in die wichtigsten Einstellungen über einen eingebauten Touchscreen steuern.


Als Vertikal-Gärtner*in hat man aber nicht nur schnell frisches Grünzeug parat. Laut Miriam und Yannic schmeckt es auch noch besser und ist äußerst umweltfreundlich. Denn Produkte aus dem Supermarkt werden meist frühreif geerntet und Hunderte von Kilometern transportiert. Das Statistische Bundesamt verzeichnete beispielsweise im vergangenen Jahr den Import von 130 Tausend Tonnen Erdbeeren vor allem aus Spanien und den Niederlanden. Das bedeutet einen Nährstoffverlust und eine hohe CO2-Belastung. Beim eigenen Anbau sieht das ganz anders aus. „Das Gemüse [enthält] bis zu 60 Prozent mehr Nährstoffe und es können pro Haushalt bis zu 4,9 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden“, liest man auf der Homepage der Pflanzenliebhaber. Außerdem setzen Miriam und Yannic bei Myriad auf Bio-Saatgut, eine biologisch abbaubare Verpackung ohne Plastik und einen Rahmen aus lokal angebautem Massivholz.

Durch die perfekt abgestimmte Versorgung wachsen die Pflanzen besonders schnell.Die Rundumversorgung lässt die Pflanzen besonders schnell wachsen.

Eine wachsende Geschäftsbeziehung

Die Gründer-Neulinge lernten sich bei einem gemeinsamen Projekt in der Raumfahrtindustrie kennen. Und auch jetzt wollen Miriam und Yannic mit ihrem Unternehmen hoch hinaus. Deswegen gaben die beiden von Anfang an Vollgas: Innerhalb von nur einem Monat erstellten sie das Patent für die Technologie und kündigten ihre Jobs, um ihre gesamte Energie in Myriad zu stecken. Dafür mussten die Beiden „allen Mut zusammenfassen“, erzählt Yannic. Aber sie seien vollkommen von ihrer Technologie überzeugt. Und nicht nur sie: Die kreativen Köpfe bekamen sogar das “EXIST-Gründerstipendium“. Derzeit arbeiten die Zwei zusammen mit der Universität Bayreuth daran, das Produkt zur Marktreife zu bringen. Im kommenden Jahr soll es die hängenden Gärten bestenfalls dann schon zu kaufen geben. Aber das Team Myriad hat für die Zukunft einen noch viel größeren Traum: „Wenn wir so weit sind, wollen wir mit unserer Technologie Pflanzen in Raumstationen oder sogar auf dem Mars anbauen.“

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