05.02.2024Projekte

Jenseits von Held:innen und Zahlen: Gaming mit Tiefgang in All Quiet in the Trenches

©Totally not Aliens

Schon mal von einem Antikriegsspiel gehört? Dabei geht es nicht um möglichst viel Krawall und sinnloses Töten – obwohl wir uns trotzdem mitten im Krieg befinden. In All Quiet in the Trenches von Totally not Aliens wird nämlich die Menschlichkeit im Krieg beleuchtet. Ich habe mit der Geschäftsführerin Jenny Tesch gesprochen und mich natürlich auch selbst mal an den PC gesetzt. Wie das Strategie-Rollenspiel entstand, welche Herausforderungen es bei der Entwicklung gab und wie ich, passionierte Nicht-Gamerin, das Spiel finde – das alles hier im Artikel.

Nach einer langen und intensiven Entwicklungsphase ist es nun endlich so weit: All Quiet in the Trenches ist als Early Access Release spielbar. Das narrative, rundenbasierte Strategie-Rollenspiel versetzt Spieler:innen in die grausame Realität des Ersten Weltkriegs und gibt tiefe Einblicke in das Leben der Soldaten von Frühjahr 1915 bis Frühjahr 1916. Dahinter steht das Team von Totally not Aliens, ein Unternehmen, das im Sommer 2017 in Bamberg gegründet wurde, um „gute alte Videospiele“ zu entwickeln, wie es auf ihrer Homepage heißt. 

 

Dazu gehören vor allem Games, die für größere Studios zu riskant und zu ‚nischig‘ wären. Die Unterrepräsentation des Ersten Weltkriegs in Videospielen und der bevorstehenden 100. Jahrestags des Kriegsendes brachten das Team dann auf die Idee zu einem Einzelspieler:innen-Anti-Kriegsspiel für den PC, das den Ersten Weltkrieg in den Mittelpunkt stellt. Dafür bekamen sie 2020 sogar eine Bundesförderung, durch die sie sich Unterstützung in Sound Design und Writing ins Boot holen konnten.

Still Loading: Herausforderungen auf dem Weg zur Veröffentlichung

Statt nun übereilig ein Spiel auf den Markt zu bringen, konnte sich Totally not Aliens dank der Förderung nochmal richtig Zeit nehmen, um ein detailreiches sowie höchst authentisches Spiel herauszubringen. „Wir hatten am Ende des Förderzeitraums ein gutes Fundament, das wir aber in bestimmten Bereichen gerne noch ausbauen wollten, um dem gerecht zu werden, was wir mit dem Spiel transportieren wollen“, erklärt Jenny Tesch, Human Artist & CEO im Unternehmen. Andere Projekte und eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Otto-Friedrich-Universität verlängerten den Zeitplan zusätzlich.

Aber das Projekt stand nie still. In der Entwicklungsphase war für Jenny dabei besonders die Recherchearbeit faszinierend. Von der ungewöhnlichen Verwendung von Elektrizität und Dampf in der Frühzeit des Automobils bis hin zur überraschenden Existenz einer Veganismusbewegung in den 20er Jahren, habe sie sehr tiefe Einblick in historische Details bekommen und eine Menge gelernt. Dieses weitreichende Wissen über die Zeit war auch nötig, um am Ende eine Antikriegsgeschichte zu erzählen, die auch die menschliche Seite des Krieges zeigt und sich nicht nur um Waffen dreht. Jenny betont, dass Spieler:innen in All Quiet in the Trenches keine Held:innen sind, sondern die realen Auswirkungen von Kriegserlebnissen auf die betroffenen Personen erleben. „Wir wollen ein sehr eindringliches Bild von der Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges zeichnen“, so die Gründerin.

Spielstart im Schützengraben

Nun habe ich so viel von All Quiet in the Trenches gehört, jetzt will ich endlich selbst ran. Ich spiele einen deutschen Unteroffizier an der Westfront des Ersten Weltkriegs. Dabei habe ich die Verantwortung für meine Soldaten Florian, Wolfgang, Wilhelm sowie Ferdinand und muss jede Menge wichtige Entscheidungen treffen. Das merke ich bereits nach wenigen Minuten im Spiel. Ein schwerverletzter Kamerad liegt im Graben und meine Auswahlmöglichkeiten lauten folgendermaßen: „Lasst uns seinem Leiden ein schnelles Ende bereiten“ oder „Holt eine Trage“. Bin ich froh, dass ich im echten Leben solche Entscheidungen nicht treffen muss!

 

Es folgt eine Aufgabe nach der anderen, für die ich meine Männer unter Berücksichtigung ihres mentalen Zustandes einteilen muss. Hier Essensrationen holen, da eine Telefonleitung reparieren und dort den Verteidigungsgraben instand halten – alles unter Vibrationen und lauten Einschlägen von Kriegsgeschossen. 

In der Zwischenzeit hat es der Verletzte nicht geschafft. Aber meine Männer sind froh, dass wir zumindest versucht haben ihn zu retten. Das ist wohl genau diese menschliche Seite solcher Gefechte, die in dem Game die entscheidende Rolle spielt. Denn meine Handlungen verändern nicht den Ausgang des Kriegs, jedoch das Leben meiner Soldaten. Ich kann also nicht gewinnen, aber vielleicht können meine Männer überleben. Diese ganz neue Art zu spielen, zieht mich gleich in ihren Bann. 

Dennoch brauche ich dann erstmal eine Pause. Diese intensiven Eindrücke, vor allem die Geräusche, und teilweise auch die dramatischen Entscheidungen, die ich zu treffen habe, sind bedrückend. Für mich ist die schlimme Lebensrealität dieser Zeit zum Glück nur ein Spiel, dass ich jederzeit ausschalten kann. Aber damals und heute anderswo auf der Welt ging und geht das nicht. Und auch wenn ich von All Quiet in the Trenches keine Schüsse mehr höre oder nicht nach strengeren Essenrationierungen gefragt werde, hat mein Kopf nicht abgeschaltet. Damit hat das Team von Totally not Aliens bei mir ihr Ziel also direkt erreicht.

Wenn auch du jetzt Lust hast in diese eindrucksvolle Welt einzutauchen und den Ersten Weltkrieg aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten, dann hol dir jetzt hier All Quiet in the Trenches im Early Access Release.

So sieht es in All Quiet in the Trenches aus

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